Oft begegne ich hier dem Vorwurf der Vermenschlichung oder wie du es nennst der "Anthromorphisierung" von Tieren. Dass du die anthropomorphe Methoden zur Erforschung von Tierverhalten genauso in Frage stellst, finde ich berechtigt.
Ich bin der Ansicht, dass wir gar nicht anders können.
Als Vergleich und Bezugspunkt nimmt der Mensch einen Menschen. Spricht er von Intelligenz, gerade bei Tieren, bewertet er es auf der Skala der "Menschenähnlichkeit", also wie gut ein Tier im Vergleich zu unseren Fähigkeit, unserer Gefühlswelt, unserem Wesen abschneidet.
Oder: Je ähnlicher ein Tier dem Menschen ist, desto intelligenter ist es. In unserer Einschätzung und auf unserer Werteskala.
Wir gehen sogar so weit, eine Spezies, die uns am nächsten ist, "Menschenaffen" zu nennen - und sie als die intelligenteste im Tierreich zu bewerten.
Ob ich das gut finde oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.
Wie würde ich z.B. die Intelligenz (Fähigkeit zur Problemlösung, Ich-Bewusstsein, Gefühlswelt, etc.) meiner Katzen bewerten, wenn ich - wenigstens für einen Tag - ihre Sinne besäße? So bleibe ich auf das beschränkt, was ich bin und kenne, wie sollte ich als Mensch die Welt anders erforschen und erfassen als "anthropomorph"?
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Puh, das ist ein recht wirrer Post geworden ... Hätte ich es nur bei diesem Auszug belassen
😉 Ich habe eine interessante Arbeit von
Markus Wild gefunden, die sich genau mit deinem kritischen Einwurf befasst.
aus:
http://www.buendnis-mensch-und-tier.de/pages/bibliothek/texte/Wild_Wie_sind_Tiere.pdf
"Es ist methodologisch sinnvoll, Tierverhalten zu anthropomorphisieren. Wie gesagt, sollten wir den Anthropomorphismus nicht als ein Wort der Kritik betrachten, sondern als ein Wort der Methodologie. Anthropomorphistische Zuschreibungen lassen sich als Instrumente auffassen, die es erlauben, Fragen an das Tierverhalten zu stellen und daran anschließend Differenzierungen vorzunehmen. Meines Erachtens ist daran nichts falsch, solange man zwei Punkte berücksichtigt. Erstens muß man sich im klaren darüber sein, daß man ein bestimmtes anthropomorphes Muster auf ein Tierverhalten anwendet. Der Anthropomorphismus muß reflektiert sein. Zweitens muß man berücksichtigen, daß der Anthropomorphismus als Instrument dient, um Fragen an das Tierverhalten zu stellen. Wir beziehen uns auf unsere eigene Erfahrung. Worauf sonst?"