Killer Kater
Gustav ist ein Tierheimkater unklarer Herkunft und jagt nächtlich. Da ich berufstätig bin und unregelmäßig lebe, hat Gustav eine Katzenklappe und auch sonst freien Zugang in der Wohnung. Was sich nun als Nachteil entpuppt, nachdem er eingewöhnt ist. Zum Beispiel letzte Nacht:
Vor dem 1. Akt, Vorhang (Augen) zu.
Hinter dem Vorhang eifriges Trappeln, Hüpfen und Springen, dann ein kleiner hoher Quiek-Laut: der Vorhang geht schlagartig auf, das Herz rast. Was spielt sich auf der Bühne (Schlafzimmer) ab?
1. Akt: ein kleines Drama:
Das Bühnenlicht geht an und beleuchtet eine lebhafte Szene: Gustav jagt im Schlafzimmer eine lebendige winzige dunkle Maus. Ich sitze steil im Bett und rühre mich nicht. Ich kann mir nur einen Ausgang denken: das arme Ding wird vor meinen Augen erlegt und mir dann zu Füßen gelegt, Ich wappne mich für gebremstes Loben und anschließendes Entsorgen.
2. Akt: Eine überraschende Wendung:
Das Mäuschen wird herum gewirbelt und kann sich plötzlich doch hinter den Schrank retten. Alle sind verblüfft. Gustav schnauft aufgeregt und versucht es von allen Seiten. Dann wendet er sich bittend an das Bühnenpersonal, den Schrank wegzurücken, er hätte da etwas Interessantes. Das Personal verweigert sich und macht das Licht aus.
3. Akt: Keine Lösung
Das Publikum hört allerlei Versuche, das arme Opfer hervorzulocken. Dann geht der Kater geschäftig ab. Man kann die Denkblase deutlich sehen: hole ich mir halt wieder etwas Neues. Das Publikum liegt noch ein(?) Stündchen wach und denkt sich allerlei Enden für diese Geschichte aus: "Maus verrottet hinter dem Schrank". Oder "Maus retten sich woander hin und vermehrt sich in der Wohnung". Auf jeden Fall sehen wir weitere Leichen vor unseren Augen. Dann fallen die Augen zu, der Vorhang auch und wir denken, das Stück ist aus.
4. Akt: Morgens Vorhang wieder auf, Tageslicht auf der Bühne. Keine Maus, weder lebendig noch tot. Das Publikum schreibt in Gedanken schon eine Rezension dieses Stücks. Der Hauptdarsteller erscheint und wünscht Frühstück. Das Publikum erhebt sich und geht in Richtung Bad. Im Flur fliegen ein paar kleine graue Flaumfedern herum. Das Publikum ist schlagartig sehr wach und öffnet gaaanz langsam die Badezimmertür.
5. Akt: Grausames Ende
Mitten auf dem Bedezimmerteppich ist eine große Ringeltaube ausgebreitet. Mausetot, Nacken aufgebissen, viele Federn. Das Publikum erinnert sich an das Wappnen aus dem 1. Akt und hält durch. Der Mörder ist relativ gelassen und interessiert sich mehr für ein industriell hergestelltes trocken gepresstes Futter als für das selbstgemachte Frischfleisch.
Der Morgen vergeht im Fluge mit Füttern, Entsorgen, Staubsaugen, Badteppisch auskochen. Ein Frühstück für das Bühnenpersonal kommt erst sehr viel später, als der Magen sich beruhigt hat. Der Hauptdarsteller verlässt das Theater und ist wahnsinnig geschäftig draußen. Seinen Vormittagsschlaf lässt er ausfallen, er hat Wichtigeres zu tun. Das Publikum flieht ins Büro.
Und soll ich nun beschließen, ihn nachts nicht mehr in die Wohnung zu lassen??