Warum habt ihr euch denn ursprünglich für euren Kater entschieden? Hatte man euch im Tierheim gesagt dieser Kater spielt mädchentypisch und ist eher ruhig, rauft nicht gern und stellt sich sehr auf seine Mitkatzen ein?
So wie du ihn beschreibst ist er hingegen eher ein typischer kateriger Kater. Nun ist er da und soll sich anders verhalten als es sein Wesen ist. Da braucht es sehr viel Einfühlungsvermögen um für alle eine Chance auf ein harmonisches Miteinander zu ermöglichen. Und es ist keine Garantie.
Erstmal versuche bitte ihn zu verstehen. Er kam zu euch, das war eure und nicht seine Wahl. Er hat sich etwas eingelebt und begonnen sicherer zu fühlen und vermutlich angefangen mit seinen Mitkatzen auf seine Art zu spielen. Was die nicht mögen und nicht gut aushalten, aber keine klare Grenze setzen können, stattdessen flüchten, was nicht falsch ist, machen viele Mädchen, doch genau das läd den Kater zum Nachrennen und Verfolgen ein, auch zum Auflauern. Ein wenig aktiviert es quasi den Jagdtrieb beim Spieltrieb. Keiner der Beteiligten macht etwas falsch, doch die Verhaltensmuster greifen ungünstig ineinander und darunter leiden alle.
Nun habt ihr dem Kater oft genug mittels nein und aussperren zu verstehen gegeben, er ist falsch, sein Verhalten ist falsch, er soll es lassen. Die drei-Punkte-Regel mag ein gutes akut-Mittel sein, für einzelne Situationen, aber bitte versucht nicht den Kater darüber umzustricken, denn bei der Methode wird außer Acht gelassen, daß der Kater einen Grund für sein Verhalten hat, genau wie die Mädchen. Es gilt also zu prüfen wer macht was warum und wann. Ohne Ursachenforschung kein Lösungsweg (wie solche Wege aussehen können weiter unten). Und Lösungswege gehen mit den Katzen und nicht über sie drüber.
Zum Markieren noch: ihr habt den Kater, der noch nicht ganz bei euch Fuß gefasst hat, durch eure Erziehungsmethode verunsichert, ihm den Raum genommen. Doch was er braucht ist Halt, Sicherheit und Geborgenheit. Sein Markieren ist wahrscheinlich seine Art sich selbst über den Eigengeruch Sicherheit zu schaffen, sein Revier als solches zu markieren und in Anspruch zu nehmen.
Ich vermute er ist in solchen Situationen eher innerlich nervös und getrieben, unruhig?
Das würde dann auch ein wenig seine Futterproblematik erklären und es ist höchste Zeit ihm zu geben, was er braucht, damit er entweder ankommen darf oder einen passenderen Platz bekommt.
Am Wochenende hattet ihr vermutlich mehr Zeit, habt euch mehr mit allen beschäftigt und seid selbst ruhiger gewesen, deshalb lief es insgesamt mit allen besser – das macht doch Hoffnung.
Wie könntet ihr alle Drei in mehr Harmonie bringen?
Erstmal bedenkt bitte, sowohl Spieltrieb wie Jagdtrieb sind Triebe, sie wollen ausgelebt werden, da hat euer Kater keine Wahl. Da hilft kein Wegerziehenwollen, aber ihr könnt euch überlegen wie ihr ihn auslasten könnt, damit der Druck auf eure Mädchen geringer wird.
Wenn er gern etwas mehr mit Nachdruck spielt, verfolgt und auch gern pfotengreiflich werden möchte, ist das ein typisches Kater-Spielverhalten, wofür er eigentlich einen entsprechenden Katerkumpel braucht (einen der nicht mädchentypisch spielt, denn auch das gibt es bei Katern). Das könnt ihr als Mensch nicht ersetzen. Ihr könnt aber erstmal versuchen wie ihr ihn über Beutespiele auslasten könnt, also z.B. eine Angel langsam unter einem Teppich oder einem dicken Handtuch langführen, inne halten usw., also so wie es eine Maus im Verhalten täte. Viel vom Jagdverhalten ist nicht nur Aktion, sondern Beobachten, Auflauern, erneut anpirschen… Ihr könnt ihm in einem großen Karton mit gebauschtem Papier Leckerlie oder Trockenfutter oder Gefriergetrocknete Snacks verstecken, die er sich raussuchen muß. Ihr könnt ihm einen Parcour angewöhnen, eine Strecke über Möbel und Kratzbäume, auf der er täglich Beute (Leckerlies etc.) finden kann, immer mal wieder etwas variiert, so daß es spannend bleibt. So in der Richtung denkt euch noch mehr aus, schaut was er mag. Behaltet das Beute- und Jagdkonzept bei.
Auslasten ist das eine, die Verlockung den Mitkatzen nachzurennen das andere – würden sie nicht wegrennen, sondern wie ein Stein sitzen bleiben können, würde er sie nicht verfolgen. So greift das unselig ineinander.
In dem Moment wo ihr ihn dabei erwischt, bitte konsequent, mit Körperspannung und einem klaren Nein (nur ein Wort, eure Körpersprache ist viel wichtiger) in den Weg treten mit voller Körperfrontseite, ihn anstarren falls er nicht gleich aufgeben möchte oder ausweichen will, dann wieder in den Weg treten - es geht hier darum nur eine Grenze zu setzen, ein klares Stopp, eine Unterbrechung. Ihr bleibt dabei immer ruhig und souverän. Es geht nicht um Strafe, es geht um ein Stopp. Ihr müßt hier nämlich beiden Katzen im Miteinander weiterhelfen, eine Alternative finden im Umgang.
Die Mädchen sollen die Sicherheit gewinnen durch euch bleiben zu können oder ihre Flucht zu unterbrechen. Die Mädchen werden in der Situation erstmal nicht beachtet, je nachdem wie der Kater reagiert, z.B. verunsichert, könnt ihr ihn einladen sich zu euch zu setzen (ihr bleibt im Weg sitzen), beruhigt ihn. Im Idealfall seid ihr der Ruhepol, der allen beteiligten Nervensystemen die Coregulation bietet und damit die Chance neue Erfahrungen in der Situation miteinander zu machen. Das klappt selten gleich, es ist ein Weg aus vielen Schritten. Und nur wenn sowohl die Mädchen wie der Kater sich anders verhalten können, gibt es neue Wege miteinander. Wenn die Mädchen merken, aha, mir wird geholfen, ich habe Schutz, ich kann bleiben, können sie den Kater tatsächlich wahrnehmen und auch nach und nach seine Absicht, im besten Fall. Sie gewinnen mehr Vertrauen in sich, bleiben in ihrer Mitte und rasen nicht mehr davon und auch so unterbricht sich der Jagdkreislauf. Es geht also auch darum die Mädchen mehr Sicherheit in sich selbst finden zu lassen, sodaß sie in Konfliktsituationen bei sich bleiben können, sich bestenfalls konfrontieren und nicht flüchten. Konfrontation ist nicht Streit, ganz viel läuft über Körperhaltung, Körpersprache, energetischer Gesamtausdruck, Katzen regeln vieles ohne Streß und nebenbei, wenn sie gut bei sich sind miteinander. Da reicht manchmal der eindrucksvolle Blick des Kumpels und schon wird der Rückzug angetreten oder das Anpirschen geht in entspannte Sitzhaltung über usw.
Im Idealfall würden sie eines Tages auf seine Spielaufforderung eingehen können, zu ihren Bedingungen und klare Grenzen kommunizieren. Bis dahin ist ein langer Weg. Wenn er aber mehr Auslastung via Katerspiel braucht, ist dieser Weg vielleicht bei euch nicht möglich, weil es eben am passenden Kumpel fehlt. Dann wäre es fair ihm das woanders zu ermöglichen, indem er ein neues Zuhause bekommt mit passender Gesellschaft.
Ich habe euch das nur so in etwa skizziert, so etwas in natura vorzuführen ist deutlich einfacher, aber ihr kennt eure Katzen, eure Möglichkeiten, eure Wohnsituation… und so hilft euch das hoffentlich als Inspiration.
Wichtig ist was die Wohnsituation bei solchen Katzenkonstellationen angeht, immer zwei Wege zu ermöglichen, so daß keine Katze die andere blockieren kann. Auch die Toiletten stehen idealerweise so, daß es von dort zwei Fluchtwege gibt und ausreichend Ausweichtoiletten. Die Futterplätze sind so verteilt, daß jede Katze in Ruhe futtern kann. Die Begegnungswege wie z.B. engere Flure und Übergänge kann man mit einer zweiten Ebene entschärfen, z.B. eine hohe Bank oder eine schmalen Tisch oder ein Regal an die Wand, so kann eine Katze den Boden nutzen, die andere den oberen Weg. Zwischendrin viele sichere Rückzugsorte, so daß sich die Mädchen gelassener bewegen können, weil sie auf kurzem Weg einen Platz erreichen, wo ihnen der Kater nicht zu nahe kommen kann.
Und bei allem: ruhig bleiben, sich die Situation erlauben, sich die Zeit für den Weg zu nehmen und keinen schuldig zu sprechen.
Und es ist auch okay sich einzugestehen, das kann oder möchte ich nicht leisten und eben den Kater in passendere Gesellschaft zu geben.
Ich wünsche euch alles Gute für den richtigen Weg.