Teil 1
Sparsamkeit und Bequemlichkeit haben Trockenfutter zum beliebtesten Produkt zur Fütterung von Hauskatzen gemacht. Aber ist das, was gut für uns ist, auch gut für unsere Katzen?
Die Nahrung eines Fleischfressers besteht hauptsächlich aus Eiweiß und Fetten tierischer Herkunft. Ein Fleischfresser hat Zähne, die für das Zerreißen von Fleisch optimiert sind, und einen kurzen, einfach strukturierten Verdauungstrakt, der für die Verwertung und Aufnahme von konzentrierter, hochverdaulicher Nahrung gemacht ist.
Trockenfutter enthält gewöhnlich einen hohen Anteil an Kohlenhydraten. Die natürliche Nahrung der Katze enthält dagegen nur sehr wenig Kohlenhydrate. Katzen nehmen kleine Mengen Kohlenhydraten aus den
Mägen und Därmen ihrer Beutetiere auf. Handelsübliche Trockenfuttersorten enthalten aber bis zu 45-50% Kohlenhydrate. Da die Katze hauptsächlich Fett und Protein verbrennt, wird der Hauptanteil des Kohlenhydratüberschusses als Glykogen und Fett im Körper eingelagert.
Die erste Folge eines Zuviel an Kohlehydraten ist Fettleibigkeit. Die Folgen des Übergewichts sind z.B. Herzprobleme aufgrund der Mehrbelastung des Herzens. Knochen- und Gelenkprobleme werden verstärkt, weil das Skelett mit mehr Gewicht belastet wird, was zu Arthritis und frühem Gelenkverschleiß führt. Diabetes mellitus, eine Krankheit bei der die Bauchspeicheldrüse nicht ausreichend Insulin zur Verarbeitung des Blutzuckers produziert, ist eines der häufigsten Probleme bei übergewichtigen Katzen. Ebenfalls leiden diese häufiger an bestimmten Lebererkrankungen. Ironischerweise entsteht die tödlichste dieser Krankheiten, die Fettleber (hepatische Lipidose) dann, wenn die Katze aufhört zu fressen. Veränderungen in der Leber verursachen Fettablagerungen, die schließlich zu Leberversagen führen können.
In der Leber der Katze werden die gluconeogenische Aminosäuren und das Fett aus der Nahrung desaminiert und in Glukose zur Erhaltung des Blutzuckerspiegels umgewandelt. Die Katze hat sich im Laufe ihrer Evolution so entwickelt, dass sie normale Blutzuckerwerte und damit ihre Gesundheit mit einer praktisch kohlenhydratfreien Ernährung erhalten kann – eine Eigenschaft, die sie von ihren in der Wüste lebenden Vorfahren geerbt hat. Diese Fähigkeit hängt mit einer veränderten Form der Gluconeogenese zusammen. Bei den meisten Tierarten findet der Hauptteil der Gluconeogenese zum Zwecke der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels während der postabsorbtiven Phase statt, wenn kein freies Kohlenhydrat zur Verdauung mehr vorhanden ist. Karnivoren wie die Katze ähneln hingegen in diesem Aspekt den Wiederkäuern, da sie sich ständig im Zustand der Gluconeogenese befinden, also dauernd gluconeogenische Aminosäuren zur Erhaltung des Blutzuckerspiegels verarbeiten (bei anderen Tierarten wird dieser Zustand „an- und abgeschaltet“).
Es gibt Unterschiede zwischen Katzen und Allesfressern im Bezug auf die Relevanz diverser Wege der Gluconeogenese und Kohlenhydratverdauung. Im Vergleich mit Allesfressern haben Katzen eine starke Aktivität des Enzyms serine-pyruvate Aminotransferase und eine eher schwache Aktivität bei seriner Dehydratase. Daraus folgt, dass die Katze die Aminosäure Serin auf eine Weise in Glukose umwandeln kann, die weder pyruvate noch serine Dehydratase benötigt.
Nachdem Glukose vom Körper aufgenommen wurde, muss sie zu Glukose-6-Phosphat phosphoryliert werden, bevor sie verdaut werden kann. Die Leber der meisten allesfressenden Tierarten, den Haushund eingeschlossen, enthält 2 Enzyme, die diese Reaktion auslösen: Glucokinase und Hexokinase. Hexokinase ist aktiv, wann immer geringe Mengen an Glukose in der Leber ankommen. Glucokinase kommt ins Spiel, wenn die Leber große Mengen an Glukose durch die Pfortader bekommt. Die Leber der Katze verfügt über aktive Hexokinase, aber nicht über aktive Glucokinase. Als Folge daraus kann die Katze die Glukoseverdauung in der Leber nicht im gleichen Maße wie Tierarten mit beiden Enzymen als Reaktion auf große Mengen verfügbarer Kohlehydrate ankurbeln. Daher wird der größte Teil der Kohlenhydrate im Trockenfutter als Fett eingelagert.
Nicht alle Proteinquellen sind für Fleischfresser gleichwertig, und die Menge an Protein in einem handelsüblichen Trockenfutter für Katzen sagt oft nichts über die Qualität aus. Vor ihrer Domestizierung jagten Katzen Beutetiere, und ihre Nahrung enthielt viel tierisches Protein, etwas Fett und sehr wenig Kohlenhydrate. Diese Nahrung bot sowohl die richtige Qualität als auch Quantität an Protein für das spezielle Verdauungssystem des Fleischfressers. Im Gegensatz zum Allesfresser, dessen Verdauungsapparat aus einem relative langen Dünndarm und relativ großen Magen besteht, ist bei Fleischfressern der Dünndarm eher kurz und der Magen eher klein. Daher muss die optimale Nahrung für den Fleischfresser konzentriert und hochverdaulich sein, so dass nur wenig übrig bleibt, denn der Körper ist darauf spezialisiert, hauptsächlich Protein zu verarbeiten. Wenn ein Kohlenhydratüberschuss in der Nahrung besteht, erreicht ein Großteil der aufgenommenen Nahrungsmenge nur teilweise verdaut den Dickdarm, wo es dann zur Fäkalie geformt wird, was die Verdauungs- und Ausscheidungsorgane überlädt.
Die Proteinverdaulichkeit bei Tierfutter liegt bei ca. 80% für Trockenfutter, 85% für halbfeuchtes Futter und Dosenfutter mit hohem Getreideanteil, und 90% für Dosennahrung mit Fleisch als Hauptproteinquelle. Die Verdaulichkeit wird sowohl von der Quelle des Proteins als auch dessen Verarbeitung beeinflusst. Das Protein im Katzenfutter stammt aus tierischen und pflanzlichen Quellen. Tierisches Eiweiß ist generell teurer und oft von besserer Qualität als pflanzliches Eiweiß. Die Zusammensetzung von Dosenfutter erlaubt die Verarbeitung von Protein und Fett aus hochwertigerer Quelle als bei Trockenfutter.
Eine neue Studie [Morris, James G. and Quinton R. Rogers. 1994. Assessment of the nutritional adequacy of pet foods through the life cycle. Journal of Nutrition 124:252OS-2534S] vergleicht ein bekanntes Dosenfutter mit dem marktführenden Trockenfutter, wobei beide mit “ausgewogener Ernährung” werben. Beim Dosenfutter wurde eine Verdaulichkeit von ca. 90% angegeben, beim Trockenfutter 80%. Der biologische Wert (also der Nutzwert für das Tier) des enthaltenen Proteins wurde für das Dosenfutter mit 70%, für das Trockenfutter mit 60% angegeben. Die effektive Verwertung (also die Menge des verbrauchten Futters in Relation zur aufgenommenen Menge) kann durch Multiplikation der Verdaulichkeit mit dem biologischen Wert errechnet werden. Das Ergebnis: 68% für Dosenfutter, 48% für Trockenfutter. Das bedeutet, dass eine Katze fast doppelt so viel Trockenfutter wie Dosenfutter aufnehmen müsste, um die gleiche effektiv verwertbare Menge an Nährstoffen zu erhalten. Die dabei entstehenden Abfallprodukte müssen aus dem Blut gefiltert werden, was den Nieren zusätzliche Arbeit bereitet. Dies könnte eine Erklärung für das häufige Auftreten von chronischer Niereninsuffizienz bei Katzen mittleren Alters sein.
Die natürliche Nahrung der Katze, lebende Beute, enthält 65-75% Wasser. Die Katze hat während ihrer Evolution in den trockenen Steppen Afrikas ihren Wasserbedarf an ihre Umgebung angepasst und stillt ihn fast ausschließlich aus dem Feuchtigkeitsgehalt der Beute. Katzen können für längere Zeit ohne Wasser überleben, wenn ihre Nahrung 67-73% Wasser enthält, aber sie dehydrieren, wenn der Wassergehalt unter 63% liegt. Der Wassergehalt kommerzieller Katzenfuttersorten liegt zwischen 8% bei Trockenfutter und bis zu 75% bei Dosenfutter. Daher ist der Bedarf an Trinkwasser stark von der Art der Fütterung abhängig.
Bei Fütterung mit Dosenfutter und Zugang zu Trinkwasser nehmen Katzen mehr als 90% ihrer gesamten Wasseraufnahme aus dem Futter auf. Bei Fütterung mit Trockenfutter nehmen Katzen 96% ihres Wasserbedarfs durch Trinken auf. Die Gesamtmenge an aufgenommenem Wasser verringert sich bei einer ausschließlichen Fütterung mit Trockenfutter. Das Verhältnis Wasser zu Trockenmasse bei Fütterung mit Trockenfutter liegt zwischen 2,0-2,8 : 1. Bei Fütterung mit Dosenfutter liegt es bei 3,0-5,7 : 1. Demnach haben Katzen einen höheren Wasserumsatz bei Ernährung mit Dosenfutter als mit Trockenfutter. [National Research Council (National Academy of Science) Nutrient Requirements of Cats].
Der Feuchtigkeitsgehalt der Nahrung hängt mit der Tatsache zusammen, dass mit Trockenfutter ernährte Katzen zwar mehr als 6 mal so viel Wasser trinken als mit Dosenfutter ernährte Tiere, dieses Wasser aber zum Großteil über den Kot wieder abgegeben wird und daher die Urinmenge geringer und das spezifische Gewicht des Urins bei Trockenfutter-Fütterung höher ist. Die Menge an im Urin gelösten Stoffen, inklusive der potentiell steinbildenden Kristalloide, ist von der Urinmenge abhängig. Mit Trockenfutter gefütterte Katzen trinken mehr, aber nicht ausreichend um den geringeren Wassergehalt des Trockenfutters zu kompensieren. In einer aktuellen Studie wurde bei Katzen mit einem Wassergehalt von 10% im Futter, die freien Zugang zu Trinkwasser hatten, eine durchschnittliche Urinmenge von 63 ml/Tag gemessen. Diese Menge stieg auf 112 ml/Tag an, als man diesen Katzen Dosenfutter mit 75% Feuchtigkeit zu fressen gab. Das spezifische Gewicht des Urins war bei Fütterung mit Trockenfutter ebenfalls höher. Eine verringerte Urinmenge kann ein wichtiger Risikofaktor für die Bildung von Harnsteinen bei Katzen sein. Eine Ernährung, die zu einer Verringerung des Flüssigkeitsumsatzes führt, kann die Urinmenge reduzieren und die Konzentration des Urins erhöhen. Beide Faktoren tragen zum Risiko der Harnsteinbildung bei.
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