Freigänger brauchen keine Gesellschaft? Eine Geschichte zum nachdenken..

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PebblesundPaul

PebblesundPaul

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22. August 2016
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(Geschrieben von Andreas Peters)


Es dämmerte rund um das kleine Häuschen.

Mein Bruder und ich tobten gerade über den Rest unserer kleinen Familie hinweg, als es läutete und kurz darauf interessante neue Gerüche und Klänge in unseren Bau strömten.
Ich ließ sein Ohr los, das ich gerade unter Einsatz meines Lebens erobert hatte, und schaute, wie wir alle, in Richtung der Tür unserer kleinen „Höhle“. Meine Mama maunzte etwas von „Besuch“, und dass der – hoffentlich – nichts mit uns zu tun hätte. Also biß ich wieder herzhaft in das Ohr vor meiner Nase und hätte meinen quiekenden Bruder bestimmt auch bald zur Aufgabe gezwungen, wäre dieser „Besuch“ nicht tatsächlich wegen uns gekommen.

Ich fand das spannend aber auch ein wenig gruselig, denn irgendwie war heute etwas anders als sonst… Mama zitterte!
Die drei „Menschen“ – wie Mama sie nannte – hockten sich vor uns hin und hielten ihre Pfoten in unsere Richtung. Ich glaube, sie wollten unser Fell putzen... Das machten die manchmal – allerdings lange nicht so gut wie Mama! Die benutzte dafür immer ihre warme, feuchte Zunge und sie roch dabei sooo gut, dass ich oft eingerollt in ihr kuscheliges Fell einschlief. Ach ja… *seufz*

Wo war ich? Stimmt… Bei den Menschen. Die streicheln nur mit Ihren Pfoten. Das ist zwar auch ganz nett aber eben kein Vergleich! Alle meine Geschwister liefen nun auf die lockenden Besucher zu, waren ziemlich neugierig, plapperten durcheinander und ließen sich „putzen“. Ich dagegen blieb lieber erst mal bei Mama. Die guckte so traurig und fing komischerweise an zu schnurren. Also legte ich meinen Kopf an Mamas Hals und beobachtete die anderen aus sicherer Entfernung.

Plötzlich zeigte eine große Pfote auf mich! "Unser“ Mensch kam näher und hob mich von Mama weg. Hätte ich damals gewusst, dass es das letzte Mal war, dass ich an Mamas Hals liegen durfte – ich hätte ganz kräftig zugebissen! So aber ließ ich mich putzen und anschauen und von allen in die Pfoten nehmen und versuchte eine brave kleine Katze zu sein. Ich war ja schliesslich schon erwachsen! Also schon 7 Wochen alt…

Irgendwann gingen die Menschen mit mir in den Raum vor unserem Zimmer. Ich sah zurück zu Mama, erkannte Tränen in Ihren Augen, und verstand überhaupt nichts mehr! Meine kleinen Pfötchen reckten sich zur Ihr, Die Hinterbeine strampelten um Freiheit! Aber sie ließen mich nicht mehr los…
Sie gaben mich dem kleinsten Menschen, der mich fest an sich presste und mit mir die große Höhle verließ, die bisher mein Zuhause war. Mein Herz schlug bis zum Hals! Ich wollte zu meiner Mama und mich an ihren Hals kuscheln! Warum hatte sie geweint? Wusste sie was passieren würde? Ich hatte Angst! Große Angst, dass ich meine Mama und meine Geschwister nie wieder sehe!

Wir stiegen in einen lauten, rumpelnden und stinkenden Raum mit kleinen Fenstern, vor denen die Welt in rasendem Tempo vorbei zog. Der kleine Mensch streichelte mich und flüsterte mir dauernd irgendwas in mein Ohr. Ich verstand kein Wort…

An unserem Ziel angekommen setzte er mich in seiner Höhle auf den Boden und lächelte mich an. Mir dagegen, war überhaupt nicht zum Lachen zumute! Ich wollte wieder nach Hause! Zur Sicherheit krabbelte ich unter eine große Kiste aus Holz… ganz nach hinten… bis an die Wand. Meine Brust brannte vor Sehnsucht nach meiner Mama und meinen Geschwistern, deshalb rief ich mit dem lautesten mir möglichen Maunzen nach Ihnen und lauschte dann angestrengt in die fremde Umgebung!
Aber hier war ich alleine, ganz alleine, kein Schnurren war zu hören kein weiches Fell zu spüren. Es war alles sooo dunkel… Meine Tränen begannen zu laufen… die ganze Nacht!
Ich musste daran denken wie einfach es bei Mama war, wenn mal einer von uns weinen musste. Das passierte manchmal, wenn man zu doll spielte oder sich irgendwo den Kopf stieß. Sie kam dann schnurrend dazu und begann uns zu putzen. Vielleicht wirkt das auch jetzt, dachte ich und putzte mich lange und ausgiebig. Schnurren musste ich noch üben.

...
 
A

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>>> 6 Wochen später <<<

Ich hatte mich eingelebt in meinem neuen „Zuhause“. Ich musste nicht mehr so oft weinen und dieses knackige Futter schmeckte mir auch ganz gut. Ich spielte jetzt oft mit dem kleinen Menschen. Der fand es total niedlich, wenn ich ihm so richtig doll in die Pfoten oder den Po biss. Meine Geschwister haben dann immer gemeckert oder geweint. Mein Mensch begann dann mit mir zu spielen.
Außerdem verstand ich ihn so langsam. Ich musste halt nur auf "seine" Art mit ihm sprechen. Aber ich bin ja ein schlauer Kater und lernte es recht schnell.

Eines Tages sagte der kleine Mensch „Komm mit!“ und ich folgte ihm durch eine durchsichtige Tür auf einen großen grünen Teppich. Wow, Ich durfte mit ihm raus! Wie spannend! Wir tobten ein wenig, aber Menschen sind nicht so stark wie ich und schon nach ein paar Minuten konnte er nicht mehr.
Also rannte ich alleine über das grüne Zeug, das tierisch an meinen Pfoten kitzelte. Das war lustig!

Ich durfte jetzt jeden Morgen raus und genoss es, alles zu erkunden.
Irgendwann war die durchsichtige Tür dann plötzlich zu… Ich linste in die Höhle aber es war niemand zu sehen. Komisch!
Also suchte ich nach einem anderen Eingang, bis ich einen total bunten Flatterling sah. "Wetten den krieg ich?!" Dachte ich bei mir.
Leider verlor ich ihn nach einer langen und aufregenden Jagd aus den Augen, sah mich um und… hatte mich verlaufen! Na super…!
Zum Glück standen da zwei Kater (vielleicht ein klein wenig älter als ich) in der Nähe. Ich gab mir einen Ruck, trottete zu ihnen und fragte sie nach dem Weg. Der Rote schaute mich interessiert aber total verdutzt an. Der Graue flüsterte ihm irgendwas ins Ohr, drehte sich um und ging weg.
Der Rote maunzte dann etwas, das wie "Komm mit" klang. Und ich erinnerte mich dunkel, daß meine Mama es so gesagt hätte!
„Okay?!“ dachte ich bei mir, „Wenn Die sich nicht hier auskennen, wer dann?“.

Sie brachten mich zu Ihrer Höhle. Hier war es toll! Ganz viel grünes, kitzelndes Zeug. Offene durchsichtige Türen, drinnen ein riesiger Kletterbaum, Spielzeug und – man glaubt es nicht – Kartons! Ich liebe Kartons! Habe mich erstmal in einen reinsetzen müssen. Ich fühlte mich wie ein König!
Außerdem gab es zwei riesige Toiletten, meine Zuhause war dagegen winzig. „Die Beiden haben bestimmt nichts dagegen, wenn ich die ausprobiere“ dachte ich und... naja.. Ihr wisst schon....
Dann entdeckte ich deren Futternäpfe. Das Futter roch eigenartig, frisch und irgendwie saftig. Gar nicht so knackig wie meins. Ich schnüffelte vorsichtig daran. Aber da ich seit heute Morgen nichts gefressen hatte, konnte ich nicht anders und genehmigte mir ein paar Happen. Es schmeckte wirklich gut. Und das beste war, das ich mir nicht die kleinen Bröckchen die sich bei dem knackigen Futter dauernd zwischen meine Zähnchen klebten heraus friemeln musste.

Der Graue beobachtete mich schon seit ich auf dem Klo war und begann "lustig" zu knurren.
„Ach Du willst spielen!“ knurrte ich erfreut zurück. So ein ähnliches Geräusch machte der kleine Mensch auch oft, wenn wir tobten. Also rannte ich auf ihn zu und biss ihm erstmal herzhaft in den Po. So wie ich es gelernt hatte!

Jetzt ging alles ganz schnell! Der Graue drehte sich um, stürzte sich auf mich, biss und kratzte mich ganz doll. Das tat ganz schön weh und fühlte sich irgendwie gar nicht nach Spielen an. Zum Glück kam der Rote dazu und besänftigte den Grauen bis der mich irgendwann losließ.
Der Rote war echt nett! Er spielte noch ein wenig mit mir und zeigte mir, wie man Bäume rauf und runter jagt. Abends begleitete er mich dann nach Hause. Zum Glück stand die Tür wieder auf und ich konnte rein. Das war ein lustiger und spannender Tag... Ich hatte nur nicht verstanden, warum der Graue so böse auf mich war. Ich wollte es morgen nochmal versuchen.

Leider konnte ich auch in den folgenden Wochen für den Grauen nichts mehr richtig machen. Er verstand mich nicht und wurde immer sofort wütend, wenn ich mit einem Po-Biss zu spielen begann. Zum Glück machte das dem Roten nichts aus. Er schlichtete jeden Streit und spielte mit mir so oft es ging und kam jetzt auch öfter mal mit zu mir. Dort lagen wir manchmal nur so da und dösten in den Tag hinein. Ich hatte wieder einen Bruder!

>>> 1 Jahr später <<<

Ich ging jetzt bei Henry und Limon – so hießen die Beiden – ein und aus.

Dann veränderte sich plötzlich Alles!

Wir tobten ein wenig und ich genehmigte mir – wie immer – einen Happen von dem leckeren Futter, als Limon mir in den Po biss. Es tat ziemlich weh, aber ich dachte „Endlich hat er verstanden, wie man spielt!“ und begann mit ihm zu raufen. Dabei traf ich – aus Versehen – mit meinen Hinterpfoten sein Auge. So doll, dass er blutete!
Ihr müsst mir glauben, dass ich das nicht wollte! Aber Limon rastete völlig aus. Jetzt wurde es ernst! Die Bisse wurden immer schmerzhafter, und ich war übersät mit Kratzern von seinen scharfen Krallen. Das Schlimmste aber war, dass Henry mich total wütend anstarrte. „Es war ein Versehen!“ miaute ich leise. „Das musst Du mir glauben! Wir sind doch Brüder! BITTE!!!“.

——————

Tagelang saß ich nach dem Unfall im Garten der Beiden und hoffte, dass Henry sich beruhigte. Sobald ich aber in die Nähe der durchsichtigen Tür kam, fauchten sie mich an.
Ja!!! Ich weiß inzwischen, dass das „VERSCHWINDE!“ heißt…
Ich fühlte mich so allein… Und alles nur, weil mir ein Missgeschick passiert ist… Weil Limon mich nicht verstand… Oder nicht verstehen wollte… Der hatte doch von Anfang an was gegen mich… Ich wurde wütend!

>>> Heute <<<

Heute bin ich immer noch alleine… Na und?! Die meisten Katzen sind blöde Arschlöcher! Vor allem dieser Limon! Wenn ich den alleine erwische, ist er dran! Und das endet dann mit Sicherheit nicht nur mit einem blutenden Auge!
Dummerweise hat er Henry auf seiner Seite. Meinen Bruder der zu IHM hält... Dieser Verräter! Ich hasse ihn! Zu zweit auf einen… Diese feigen Hunde! Da habe ich natürlich keine Chance...
So bleibe ich eben zuhause, wenn ich die beiden draußen herumstromern sehe. Unter meinem großen Holzkasten. Ganz hinten an der Wand und putze mich, wie meine Mama es getan hätte... Meine Augen brennen vor Wut... Und NEIN! Ich weine nicht! Ich hab nur ein Haar ins Auge bekommen!! UND JETZT VERPISST EUCH! LASST MICH ALLEIN. WIE ALLE ANDEREN AUCH!

——————

Irgendwo weit weg in einer Höhle liegt eine Katzenmama und säugt ihre Jungen. Sie schaut sie liebevoll an, leckt ihnen über die noch geschlossenen Äuglein. Sie seufzt und denkt an die vielen Babys, die man ihr schon weggenommen hatte, aber ganz besonders an den kleinen Kerl, der sich so gerne an ihren Hals gekuschelt hat und sie hofft, dass es ihm gut geht… Dass er neue Geschwister gefunden hat und nicht alleine in einer fremden Höhle liegen muss. „Er war doch noch so klein… So viel hätte ich ihm noch beibringen müssen…“ flüsterte sie leise zu sich selbst.

Sie seufzt und denkt mit Kummer daran, dass auch die Kleinen hier bald nicht mehr bei ihr sein dürfen…
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