Hybrid-Zucht? Rassestandard vs. Gesundheit?

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bunteriro

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Vorneweg: Ich plane in keinster Weise zu züchten.

Letztens habe ich mir auf Youtube verschiedene Videos zu gesundheitlichen
Problemen und Erbkrankheiten in der (Vereins-)Hundezucht angesehen. Ein
Beitrag enthielt auch ein Interview mit einem ehemaligen Vereinszüchter,
der durch negative Erfahrungen wie hohe Welpensterblichkeit und vermehrt
Geburtskomplikationen zur Kreuzung von gesunden Tieren verschiedener
Rassen übergegangen ist. Die letzten Würfe aus solchen Verpaarungen
liefen völlig problemlos und die Jungtiere waren von ausgezeichneter
Gesundheit. Eine Rückkehr zur Reinzucht sei für ihn unvorstellbar.

Das hat mich schon zum Nachdenken gebracht, weil ich bisher in Vereinen in
gewissem Maße zumindest eine Sicherheit für gesunde Tiere gesehen habe.
Die negativen Seiten der Rassezucht waren mir scheinbar nicht bewusst...
(von der Problematik Tierschutz vs. seriöser Züchter abgesehen)

Sind in der Katzenzucht die Zustände auch innerhalb der Vereine ähnlich
dramatisch wie in der Hundezucht dargestellt? (wobei bei Hunden auch mir
als Laie die Abknick-Schäferhunde und schnorchelnden Möpse/Bulldoggen
usw. als nur auf Aussehen und nicht auf Gesundheit gezüchteten Tiere
auffallen).
Wie ist es bei den Katzen mit der genetischen Vielfältigkeit und den
Rassestandards im Verhältnis zur Gesundheit bestellt?
Gibt es auch bei Katzen Hybrid-Züchter? (neben den Vermehrern, denen es
ja nicht um (genetisch) gesunde Tiere geht)

lg
 
A

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Moin,

Sind in der Katzenzucht die Zustände auch innerhalb der Vereine ähnlich
dramatisch wie in der Hundezucht dargestellt? (wobei bei Hunden auch mir
als Laie die Abknick-Schäferhunde und schnorchelnden Möpse/Bulldoggen
usw. als nur auf Aussehen und nicht auf Gesundheit gezüchteten Tiere
auffallen).
Wie ist es bei den Katzen mit der genetischen Vielfältigkeit und den
Rassestandards im Verhältnis zur Gesundheit bestellt?
Gibt es auch bei Katzen Hybrid-Züchter? (neben den Vermehrern, denen es
ja nicht um (genetisch) gesunde Tiere geht)

lg

Bei den meistens Katzenrassen ist der Genpool weitestgehend unkritisch, es gibt genügend Tiere die auch voneinander genetisch weit genug weg sind.

bei seltenen Rassen ist es aber teilweise sehr kritisch und dort wird auch über Zuchtprogramme mit "Fremdeinkreuzungen" gearbeitet.
Ich mache das mit meinen German Rexen seit über 10 Jahren und nehme zur Verstärkung Hauskatzen und BKH, weil es von Typ her recht gut passt.
Ist aber ein ganz langer Weg und für Standardgerechte tiere habe ich wirklich 5-6 Jahre gebraucht.
Gesundheit ist natürlich ein absolutes Muss. Hier kannst du mal so ein weinig schnuppern, was ich so anstelle;)

LG, Kordula
 
Danke für die Antwort.

Ich war von den Videos wirklich sehr betroffen und bin erleichtert, dass
scheinbar bei den katzen mehr genetische Vielfalt herrscht.

Wie ist das dann genau bei den exotischen Rassen und Fremdeinkreuzungen.
Gibt es einen Richtwert, wie nah die Tiere miteinander verwandt sein dürfen?
Wie ist das mit Tests auf Erbkrankheiten? Wie sieht das in den Züchterkreisen
aus deiner Erfahrung aus: Nehmen viele die mit der Einkreuzung verbundenen
Mühen, um auf den Standard zu kommen, auf sich oder nehmen mehr für die
optisch "perfekten" Tiere auch nahe Verwandtschaft/mögliche Krankheiten in
Kauf?

(Sorry für die Fragenkaskade :oops:)
 
Vielleicht darf ich dir antworten?

Ich bin ziemlich aktiv in diversen Züchtergruppen und lese viel mit um zu lernen.

Verkürzt gesagt gibt es zwei Gruppen von Züchtern, die einen sind der Meinung, durch Inzucht oder gezielte Linienzucht ihre Ziele zu erreichen und die anderen gehen lieber einen anderen Weg, bei dem phänologisch (äußerlich) ähnliche, dem Zuchtstandard möglichst nahekommende Katzen die sich genetisch möglischst stark unterscheiden und möglichst geringe gemeinsame Verwandtschaft haben, miteinander verpaart werden.

Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass der zweite Weg der richtigere ist.

Hierzu gibt es viele interessante Artikel

Hier eine Auswahl für dich:

http://pawpeds.com/pawacademy/genetics/breedtoavoid/index_de.html
http://pawpeds.com/pawacademy/genetics/eliminatingmutation/index_de.html
http://pawpeds.com/pawacademy/health/healthprogrammes/index_de.html

Leider betrifft die mangelnde genetische Vielfalt nicht nur seltene Rassen, sondern teilweise auch die Moderassen, die sehr verbreitet gezüchtet werden, weil es mitunter sehr restriktive Einschränkungen hinsichtlich des Zuchteinsatzes der Kater gibt.
Obwohl in diesen Rassen eigentlich mehr als ausreichend Individuennfür eine stabile Population in der Zucht vorhanden sind, erzeugen restriktive Kaufverträge einen künstlichen "Flaschenhals" der zu erhöhter Inzucht innerhalb der unterschiedlichen, getrennten Populationen führt.

Meine Beobachtung unter verschiedensten Rassen über einige Jahre hinweg haben mir gezeigt, dass es rassebezogen umso mehr Probleme mit behinderten Kitten, Totgeburten und ähnlichem gibt, je restriktiver in dieser Rasse die Zuchtbedingungen seitens der Züchter reglementiert werden.
Das ist natürlich nur eine sehr persönliche Wahrnehmung und sicherlich nicht repräsentativ.

Es wäre sehr gut, wenn es unabhängige wissenschaftliche Studien zu diesem Thema geben würde.
 
Wie ist das dann genau bei den exotischen Rassen und Fremdeinkreuzungen.
Gibt es einen Richtwert, wie nah die Tiere miteinander verwandt sein dürfen?
Wie ist das mit Tests auf Erbkrankheiten? Wie sieht das in den Züchterkreisen
aus deiner Erfahrung aus: Nehmen viele die mit der Einkreuzung verbundenen
Mühen, um auf den Standard zu kommen, auf sich oder nehmen mehr für die
optisch "perfekten" Tiere auch nahe Verwandtschaft/mögliche Krankheiten in
Kauf?

Wie es bei so exotischen Rassen ist, wie Kordula sie züchtet, weiß ich nicht. Die Moderassen wurden ja schon angeschnitten und da liegt in meinen Augen bei einigen in Sachen enger Genpool auch viel im Argen. Ich habe mich aber damit nur am Rand beschäftigt und ich kann dir deshalb dazu auch nicht so viel sagen.

Einen Richtwert zur Inzucht gibt es insofern, dass man eine 25% Inzucht – also Geschwister oder Eltern/Kind – vom Verein genehmigen lassen muss (vermutlich nicht bei allen Vereinen, denn in D gibt es leider viel zu viele kleine und da jeder einen gründen kann, werden es sicher nicht weniger).

Bei ‚meinen‘ Norwegern war die Basis der Tiere, auf denen die Rasse begründet ist, breit. Jedoch war am Anfang noch viel Linienzucht/Inzucht. Heute gäbe es die Möglichkeit, auf einen breiten Genpool zurückzugreifen. Meine persönliche Meinung ist, dass wir bei dieser Rasse von durchgezüchtet sprechen und keine Pionierarbeit, wie Anfangs, mehr nötig ist. Gut eingeschränkt korrekt, denn es gibt die neue (alte nur lange nicht erkannte) Farbe Amber und da ist noch Pionierarbeit nötig zur Genpoolerweiterung und Typverbesserung. Aber grundsätzlich also durchgezüchtet und so ist für mich Linienzucht (max. 6,25% in den ersten 4 Generationen) noch sinnvoll, wenn überhaupt. Würden sich alle danach richten, das Gesundheit die oberste Priorität hat und würde man Linien vor sich haben, die auf eine lange und weitgehendst erbkrankheitsfreie Zuchtgeschichte zurückblicken, wäre eine saubere Linienzucht und sogar Inzucht auch kein Thema. Zu einer Inzuchtdeppression (Kittensterblichkeit, schwächliche Katzen, etc.) kommt es ja in der Regel auch nicht sofort, sondern wenn die Inzucht über einen längeren Zeitraum durchgeführt wird. Jedoch kann eine 25% (also Eltern/Kind Verpaarung, usw.) gleich unerwünschte Defekte ans Licht zaubern, die in den Katzen schlummern und die bei Outcross vielleicht nie ans Tageslicht gekommen wäre. Verlockende Idee, durch eine Inzest Verpaarung also Defekte ans Licht zu bringen und kommt da nichts, zu denken, die Linien sind sauber?? Mag mal vielleicht grad noch so für Knickschwänze und andere sofort sichtbare Defekte gelten, aber die HCM Problematik hat man damit nicht im Griff – meine Meinung. Also eins hat man damit aber bestimmt erreicht und das ist mal gleich die positiven so wie auch die negativen Eigenschaften ein Stück weit zu festigen.

Für mich persönlich ist also der Aufbau von gesunden Linien (was Zeit und Mühe kostet) und eine moderate Linienzucht damit völlig OK, aber meine persönliche Erfahrung in der Welt der Züchter hat mir gezeigt, dass ein großer Teil nicht weiß (oder wissen will), welche Linien/Tiere evtl. nicht für so etwas geeignet sind, weil Erbkrankheiten bekannt sind und weil deshalb nicht unnötig oft verdoppelt werden soll. Es gibt genügend, die es vielleicht wissen, aber es ihnen egal ist, weil die Katze vielleicht einen wohlklingenden Namen hat und deshalb die eigene Zucht bereichern muss. Ich habe einige getroffen, die die Stammbäume ihre Katzen nur insoweit kannten, was auf dem Papier steht und alles was hinten dran war, war ihnen fremd, was eine relaistische Einschätzung der Katze deshalb unmöglich macht. Und ich habe viele gesehen, die es einfach nicht ernst genug nehmen und die sich in der Züchterszene wichtigmachen, was offensichtlich ihr Anspruch an Zucht ist. Ich habe nicht viele gesehen, die dem Begriff Züchter alle Ehre machen, die ihre Linien/Katzen mit all ihren Stärken und Schwächen (in allen Bereichen) kennen, die wissen wie sie was kombinieren müssen und die dabei natürlich die Menschlichkeit, die Tierliebe und zu alleroberst die Gesundheit nicht aus den Augen verlieren. Also die, die so einer Rasse wirklich etwas Gutes tun!
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die Antworten und die Links.

Also gibt es auch unter den Katzenzüchtern mit Verein genug schwarze
Schafe (bewusst oder unbewusst).
Das finde ich reichlich traurig, weil nach meinem Verständnis ein Züchter sich
der Rasse im Allgemeinen und seinen Tieren im Speziellen verpflichtet fühlen
sollte. Für mich stünde dabei eigentlich die Gesundheit an erster Stelle.
Die Vorstellung, enge Verwandte zu verpaaren, um möglichst schnell Defekte
aufzuspüren, ist wirklich erschreckend! Weil es einem Zeit und Mühe nicht
wert sind, bewusst kranke Tiere zu riskieren...gruselig.
 
Man muss es einfach so sehen – Katzen und Hunde züchten darf absolut jeder - keiner kontrolliert, ob man mental, finanziell und vom Wissensstand her überhaupt in der Lage dazu ist. Da müsste man ja die Diskussion anfangen, wer darf überhaupt züchten? Am Ende sind alle (zumindest hier in D) keine professionellen Züchter, sondern Leute die das ihr Hobby nennen. Ebenso verhält es sich mit den Vereinen – so ziemlich alles Hobby und da fehlt schlicht Zeit und Geld um das wirklich hoch professionell auf die Beine zu stellen. Also wer sollte züchten dürfen (aus welcher Motivation heraus, mit welchen Wissensstand, usw.) und wie müsste es aufgezogen werden um es professionell zu machen? Oder reicht es, wenn es so bleibt, wie heute und wenigstens alle dazu gezwungen werden (da es freiwillig ja nicht so ganz funktioniert) zumindest das Thema Gesundheit seeehr ernst zu nehmen?

Würde das Thema Zucht ein wirklich professionelles werden, dann wären mit Sicherheit die Preise deutlich höher für Rassekatzen. Schon heute wird lamentiert und gejammert über die Preise, also ist das ja wohl nichts. Die Traumvorstellung wäre also wohl, dass ambitionierte ‚Hobby’Züchter trotzdem bereit sind es professionell auf die Beine zu stellen und die Vereine strenger werden. Heute kannste zig Preise für die schönste Katze gewinnen (ich bin die letzte die will, dass der Rassestandard keine Rolle mehr spielt!), aber für regelmäßige Gesundheitsvorsorge, etc. interessiert sich kaum ein Verein. Das Gesundheitsthema auch noch in den Fokus, deutlich weniger kleine Vereine die ihr eigenes Süppchen kochen, sinnvolle Fortbildungen für angehende Züchter (die ein Muss sind) und ein engeres Netz von Kontrollen (z.B. ein genetisches Profil jeder Zuchtkatze) das es deutlicher schwerer macht zu betrügen und schon fallen mir auf den Schlag einige ein, die sicher mit der Zucht aufhören würden :D

Es gab zig Gründe für mich aufzuhören, aber trotzdem bleibt es für mich ein wirklich spannendes Thema und zu einer anderen Zeit und in einem anderen Leben wäre es wohl genau mein Ding gewesen :p
 
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Es ist zu kurz gesprungen, den Vereinen den schwarzen Peter zuzuschieben, denn es gibt über 100 Zuchtvereine in Deutschland.

Es ist auch unfair, mit dem Finger auf die Züchter zu zeigen, denn diejenigen, die sich bemühen, bekommen es nur selten von den Liebhabern gedankt, die dann doch lieber dort kaufen, wo die Kitten günstiger sind.

So weh es tut, der Liebhaber sollte sich an die eigene Nase fassen:

Bei einem Rechtsstreit, in dem es um einen erbkranken Hund ging, hat der Richter den Liebhabern folgendes ins Stammbuch geschrieben

"Es ist Aufgabe des Verbrauchers, herauszufinden, welche Zucht die qualitativ hochwertigeren Welpen hervorbringt. Bei der Vielzahl an öffentlich zugänglichen Informationen ... ist dies dem mündigen Verbraucher durchaus zuzumuten."

Das hießt, der Liebhaber sollte sich über die bei der von ihm bevorzugten Rasse auftretenden Erbkrankheiten informieren und vom Züchter verlangen, die entsprechenden Tests und Befunde der Zuchttier vorgelegt zu bekommen.

Und er sollte sich den Stammbaum gut anschauen, und sich dann fragen, ob er es denn gut fände, wenn seine Tochter sich mit dem Onkel oder Geoßonkel verloben würde oder der Sohn mit der Cousine.

Und dementsprechend dann entscheiden.

Wie Calabrone das sehr treffend ausgeführt hat, sind solche Verpaarungen heute auf jeden Fall bei den etablierten Rassen nicht mehr notwendig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja das ist ja sowieso die sehr wichtige andere Seite der Medaille! Auch da könnte ich mein Liedchen pfeifen und meinen Lieblingsspruch zum besten geben :p Würden alle Liebhaber sich vor dem Kauf einer Katze so informieren, wie vor dem Kauf eines Autos oder eines Fernsehers, dann wäre so mancher Züchter nicht mehr auf dem Markt, weil er schlicht nichts mehr verkaufen würde.

Aber nichts desto trotz, gäbe es meiner bescheidenen Meinung nach, auf der Züchterseite einiges zu verbessern :oops:
 

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