Verwilderte Streunerkolonien - wie damit umgehen?

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nordöstliches Oberbayern
Ich möchte hier mal versuchen, meine Erfahrungen aus 10 Jahren mit und für unsere verwilderten Katzen zusammen zu stellen.

Von verwilderter Katzenkolonie Kenntnis erhalten
Anfangs fand ich die immer nur selber, diese verwilderten Katzenkolonien. Mittlerweile bekomme ich Anrufe, Mails oder es stehen Leute bei uns vor der Haustüre, die mich auf das Elend aufmerksam machen.
Um die Lage zuverlässig zu beurteilen, gehe oder fahre ich selber vorbei, mache mir ein eigenes Bild.

Versorgung dieser Katzenkolonien

Dazu möchte ich nur auf meinen Artikel: "Heimatlose Katzen versorgen - aber richtig" hinweisen

Auflösung solcher Kolonien
Jetzt wird es schwieriger, Organisationstalent, Improvisation, Kontakte, Platz, Geld und unendlich viel Zeit ist hier gefragt.
Wenn eine Streunerkolonie - aus welchen Gründen auch immer - entfernt werden muß, sollte man sich im Vorfeld viele intensive Gedanken, optimalerweise mit Mitstreitern, machen.
Eine Hauruck-Aktion bringt außer Stress für Mensch und Tier nichts.
Erst einmal die Gründe für die Auflösung bzw. Umsiedelung finden.
Gute Gründe wären:
Abbruch bzw. Neubebauung des Grundstücks, auf dem sich die Tiere befinden
Bejagung bzw. Vergiftung durch Anwohner

In diesen beiden Fällen geht man am besten so vor:
Feststellen, ob die Katzen bereits kastriert sind. Ist dem nicht so, umliegende TSVs auf die Problematik ansprechen, eine Kastrationsaktion starten, bei der möglichst alle Tiere eingefangen, kastriert und vorläufig zurückgesetzt werden. Dabei möglichst Fotos der umzusetzenden Katzen machen und sie per Flyer, Zeitungsanzeigen, Internet usw. bereits verbreiten und Plätze suchen.
Während bzw. vor dieser Aktion müssen bereits Gespräche mit der zuständigen Gemeinde geführt werden. Viele Gemeinden haben Grundstücke, Abbruchhäuser usw. - dort einfach mal nachfragen, ob man die Katzen nicht übergangsweise dort unterbringen könnte. Die meisten Tierheime nehmen keine verwilderten Katzen auf, weil diese Katzen in THen einfach nicht gut aufgehoben und fast nicht zu bändigen sind.
Ansonsten intensiv nach anderen Unterbringungsmöglichkeiten, z.B. bei Privatleuten forschen.
Solche Aktionen nie unter Zeitdruck starten.
Mit den Anwohnern sprechen, dass die Katzen eine Schonfrist bekommen mit dem Hinweis, dass sie umgesiedelt werden.
Bebauungen von Grundstücken sind lange Zeit im Voraus bekannt, also rechtzeitig darum kümmern.

Dann die Katzen behutsam nach und nach - so wie Plätze vorhanden sind - einfangen.

Sollte man nicht weiter kommen, bleibt nur die Möglichkeit, alle Katzen zu kastrieren und die Futterstelle immer weniger zu bestücken. Die Katzen werden so von selber abwandern.
Nein, kein Aufschrei, es ist oft besser so, als sie vergiftet aufzufinden. Denn ein Tod durch Vergiftung ist grausam.

Industriebetriebe sind ein beliebter Aufenthaltsort für Katzen, auch Städte, wo sie in den Mülltonnen Nahrung bzw. Beutetiere (Mäuse und Ratten) finden.
Die Katzen haben sich diese Orte selber ausgesucht, kennen sich dort aus, kennen die Gefahren und sind an diesen Stellen daheim.
Also die Katzen nur kastrieren und an diese Orte zurückbringen. Optimalerweise kann man eine genehmigte Futterstelle an weniger gefährlichen Orten installieren.
Dazu muß man aber wissen, dass Katzen sehr revierbezogen sind und nur zum Fressen an die Futterstelle kommen werden. Die Futterstelle sollte deshalb so installiert werden, dass die Katzen, die versorgt werden sollen, keine zusätzlichen Gefahren (wie z.B. stark befahrene Strassen, andere Industriebetriebe, die den Katzen unbekannt sind usw.) zu überwinden haben.

Besteht die Gefahr, dass eine Futterstelle aufgegeben werden soll, die Gründe herausfinden. Wenn es wegen Gesundheit oder Kosten ist, kann man sehr leicht helfen. Entweder dadurch, dass ein Katzenfreund dort füttert oder durch Futterspenden.

Umsetzen einer Futterstelle
Katzen sind Gewohnheitstiere. Deshalb sollte eine Futterstelle behutsam umgesetzt werden. Dazu bedarf es einiger Zeit. Die Futterstelle wöchentlich um einige Meter in die gewünschte Richtung versetzen. Immer eine Woche an der neuen Stelle füttern, dann wieder ein paar Meter versetzen. Ist mühseelig, aber dauerhaft erfolgreich.

Jetzt möchte ich noch eine Lanze für unsere alten Mitbürger brechen. Sicher haben diese Leute kein Verständnis für Kastration. Aber ich habe gerade von diesen alten Menschen unheimlich viele Tricks und Tipps im Umgang mit verwilderten Katzen bekommen. Achja, und die Katzen an deren Futterstellen haben wir natürlich auch alle kastriert, denn da habe ich mit meinen Erfahrungen auftrumpfen können.

Fazit: die Arbeit mit und für unsere verwilderten Streunerkatzen braucht sehr viel Zeit, Energie und Diplomatie. Man muß oft mit 10 oder mehr verantwortlichen Menschen in der Verwaltung, in TSVs oder als Anwohner sprechen. Jedesmal die gleiche Geschichte, die gleichen sachlichen Argumente.
Schlechte Karten hat man, wenn man auf der emotionalen Schiene daherkommt, die zieht bei Verwaltungen nicht.

Gefragt sich fachliche Kompetenz, Eingehen auf Fragen ohne Emotionen und was besonders gerne gesehen wird: umsetzbare Lösungsvorschläge. Habe noch keine Verwaltung - weder Gemeinde noch Firmen - erlebt, die sich sachlichen Argumenten, fachlich fundiert und diplomatisch vorgetragen, auf Dauer widersetzt hätte.


Katzen auf einem neuen Platz ansiedeln braucht auch viel Zeit. Verwilderte Katzen, die den Menschen nicht gewohnt sind, sollten 6-8 Wochen in einem Raum, idealerweise auf dem Hof (also eine größere Kammer oder ein nicht benutzter Stall) eingewöhnt werden. Sie müssen sich an Gerüche und Geräusche gewöhnen. Die Fütterung sollte regelmässig zur gleichen Zeit erfolgen, so wie sie dann später auch vonstatten gehen wird. Dann sollte man den Raum öffnen und der Katze die Möglichkeit geben, sich in Ruhe im neuen Reich umzusehen. Die Türe zu dem Raum sollte als Rückzugsmöglichkeit dabei geöffnet bleiben.

Eine Katze auf z.B. einem Reiterhof oder einem Bauernhof mit Viehhaltung anzusiedeln, ist sehr viel schwieriger. Gerade wenn es sich um Katzen aus der Stadt handelt. Sie kennen die Gefahren durch andere Tiere nicht und es ist schon mehr als eine Katze durch einen Huftritt schwer verletzt worden oder zu Tode gekommen.

Ob sich eine verwilderte Katze noch zähmen lässt, muß man im Gefühl haben. Dieses Gefühl kann man nicht lernen, entweder man hat es oder man hat es nicht.

In diesem Sinne wünsche ich viel Erfolg bei der Arbeit für unsere verwilderten Streunerkatzen.
 
A

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